Stadt Ehingen

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Claudia Tebben und Norbert Klaus

Zwischen Zufall und Ordnung

03. September - 29. Oktober

Claudia Tebben: tardel, Öl auf Leinwand, 2017

Norbert Klaus: LIED-O201-15,  2015

Heckenschneiden als Kunst? Das fragen sich manche, die vor einem der Objekte von Norbert Klaus stehen. Der Künstler, der in Weidach bei Ulm lebt, verflechtet Äste und Zweige zu eng verzahnten Gebilden, die er anschließend zu perfekten geometrischen Grundformen wie Kugel oder Quader zuschneidet. Das erinnert in der Tat zunächst an barocke Gartenanlagen oder kunstvoll geschnittene Buchskugeln, die Vorgärten zieren. Der erste große Würfel, den Norbert Klaus vor vielen Jahren auf einer Freiluft-Ausstellung in Blaubeuren präsentierte, wurde auch prompt von Zeitgenossen, die wohl eine begrenztere Auffassung von Kunst hatten, in Brand gesetzt. Mittlerweile ist Norbert Klaus als Künstler weit über unsere Region hinaus bekannt, seine Werke werden auf vielen Ausstellungen präsentiert und finden begeisterte Liebhaber.

Auf seine Arbeiten trifft das künstlerische Motto von Paul Cezanne zu: „Kunst ist eine Harmonie parallel zur Natur.“ Das will erarbeitet sein. Im Atelier gibt es ein riesiges Lager von Zweigen mit vielen Verästelungen, geordnet nach Formen, Stärken und Farbtönen, die seinen Skulpturen ihren lebendigen inneren Rhythmus und sensible Schönheit verleihen. Beim Schichten müssen auch bereits die späteren Schnittkanten geplant werden, die ein eigenes ästhetisches Muster an den Außenflächen bilden. Diese kleinteilige Lebendigkeit steht im Kontrast zu den großen geometrischen Grundformen, für die bereits im Anfangsstadium passende Sockel als eigenständiges Element der späteren Skulptur hergestellt werden. In konsequenter Arbeit hat Norbert Klaus seine meditative Kunst immer mehr verfeinert und perfektioniert.

Die künstlerische Bedeutung seines Werks liegt darin, dass er ein alltägliches Material und eine alltägliche Tätigkeit in eine perfekt ausbalancierte Ästhetik verwandelt und so die Ausdrucksformen von künstlerischen Strömungen wie Arte Povera oder Minimalismus erweitert hat.

Im Gegensatz zu diesen methodischen, klar strukturierten Arbeiten steht die Malerei von Claudia Tebben aus Gelsenkirchen. Würde man Claudia Tebben beim Malen beobachten, kämen einem sofort die Klischees über moderne Kunst in den Sinn. Sie bringt die Farben expressiv und spontan, unter Einsatz ihres ganzen Körpers, auf die Leinwand. Damit steht sie in der Tradition des Informel, bzw. Action Painting, also Kunstrichtungen, die in den 60er Jahren entwickelt wurden. Es sind ähnlich willkürliche, chaotische, oft gewalttätige Kräfte, die auch unsere Natur geformt haben- als Vulkaneruptionen, Erdbeben, Stürme, Meeresbrandung, Erosion. Und solche Assoziationen möchte Claudia Tebben in den Betrachtern auslösen. Das oberflächliche Chaos ihrer Gemälde ist nur scheinbar. Ihre tiefere Struktur gründet auf einer meisterlichen Beherrschung des malerischen Handwerks, den Regeln der Landschaftsmalerei, der Raumdarstellung, der Bildkomposition und vor allem einer einfühlsamen Beobachtung von Naturphänomenen wie Wolken, Himmelsstimmungen, Bergstrukturen, Meereswellen, Oberflächentexturen. So formen sich diese malerischen Eindrücke im Gehirn der Betrachter zu unglaublich vielschichtigen, lebendig pulsierenden Landschaftsräumen, bevölkert mit seltsamen Lebewesen und Organismen, in denen man auch nach langem Betrachten immer Neues entdeckt.

(Volker Sonntag)