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"Die Künstler und ihr Material"

 Bilder aus der Sammlung

18. Juli 2014 - 20. März 2015

Die neue Hängung von Werken aus der Sammlung Doris Nöth durch Anne Linder und Volker Sonntag gibt einen aufschlussreichen Einblick in die handwerkliche Seite der Kunst. Jedes Material, mit dem Künstler arbeiten, bietet ganz eigene Möglichkeiten des persönlichen Ausdrucks und der ästhetischen Gestaltung.
 
Farbe als Material
Farben bestehen aus Pigmentpulver, das mit einem Bindemittel vermalbar gemacht und auf dem Bildträger fixiert wird. Jedes Bindemittel wie Ei, Öl, Wachs, Kleister, Acrylharz hat bestimmte Eigenschaften und ergibt besondere Oberflächen und Lichtwirkungen. Zusätzlich können Füllstoffe wie Sand, Gips, Kunststoff  den Farben mehr Volumen und interessante Texturen geben, so dass sie nicht nur unsere Augen, sondern auch unseren Tastsinn ansprechen.
 
Bereits Rembrandt hat seinen Porträts dadurch mehr Lebendigkeit verliehen, indem er die Ölfarbe sehr pastos und mit sichtbarem Pinselstrich (Duktus) auftrug. Später gaben Künstler wie Turner oder van Gogh damit ihren Landschaften intensive Lebendigkeit, Energie und Rhythmus. Moderne Künstler arbeiten abstrakter und überlassen es uns Betrachtern, eigene Gedanken und Assoziationen zu entwickeln. Die Oberflächen ihrer Gemälde erinnern an Baumrinden, alte Mauern, Erde, Wellen, Felsformationen und damit an die ästhetische Schönheit naturhafter Formkräfte wie Vulkanismus, Austrocknungsprozesse, Witterung, Wachstum oder Zerfall.
 
Der Bleistift – ein Zauberstab
Der weiche Bleistift ist ein Ausdruckswunder. Künstler lieben ihn, da er sensibel auf den leisesten Druck der Hand reagiert. Dann entfaltet er seine ganze Palette an Tonwerten, vom zartesten, nebelhaft hingehauchten Silbergrau bis zum tief glänzenden Schwarz. Beim Skizzieren in der Natur ist er unschlagbar, da man den enormen Reichtum an Farbtönen und Schattierungen in entsprechende Grautöne umsetzen kann.
 
Schriftsteller wie Hemingway, Handke, Chatwin, Doris Lessing  waren ohne ihre HB-Bleistifte schreibunfähig, da er unmittelbar die Schwingungen der Gedanken über die Bewegung der Hand in ihrem Notizbuch materialisiert. Für moderne Zeichner ist der weiche Bleistift ein Seismograph mit einem unglaublichen Potential, um mit verschiedensten Linien Rhythmen, Puls und Bewegung als Augenmusik auf das Papier zu bringen.
 
Collage und Assemblage

Da die Fotografie die sichtbare Wirklichkeit schneller und billiger wiedergeben konnte als die Malerei, machten die fortschrittlichsten Künstler zu Beginn des 20.Jhds. ihre Kunst zum Forschungslabor für neue Ausdrucks-und Darstellungsweisen. Neues entwickeln wir aber nur, wenn wir alte Regeln und Gewohnheiten über Bord werfen. Kubisten wie Picasso und Braque, Dadaisten wie Kurt Schwitters oder Max Ernst und später in den 50er und 60er Jahren die Künstler der Popart experimentierten damit, alltägliche Gegenstände und ungewöhnliche Materialien in ihre Bilder einzumontieren.
 
Die verwendeten Gegenstände werden dabei aus ihrem ursprünglichen, vertrauten Bedeutungszusammenhang herausgelöst und in einen neuen Sinnzusammenhang gebracht, der uns Betrachter vor gewisse Herausforderungen stellt: Haben die Künstler ein Stück Holz nun aus formalen Gründen wegen seiner Farbe, seiner Struktur, seiner Form oder  seines Materials verwendet? Oder aus inhaltlichen Gründen, um die Assoziation eines Baums, eines Tisches oder einer Gitarre hervorzurufen? Steht eine Coladose in der Popart der 60er Jahre als Metapher für Wohlstand, als Kritik der Konsumgesellschaft, als Symbol für den amerikanischen Imperialismus – oder einfach wegen des schönen Rottons?
 
Wir Betrachter müssen also zu aktiven Mitschöpfern werden und selber einen Sinnzusammenhang finden. Manche fühlen sich dadurch irritiert und überfordert, andere lieben solch kreatives Gedankenspiel. Eine gute Collage / Assemblage belohnt uns durch neue, inspirierende Aspekte, die wir an einem alltäglich gewordenen
Gegenstand entdecken.
   
Stein
Die verschiedenen Gesteinsarten entstehen durch Naturprozesse wie     Schmelzvorgänge aus dem Erdinneren oder Sedimentablagerungen, wodurch ein  wunderbarer Reichtum an Farbtönungen, Schichtungen, Formen, Strukturen und Oberflächen entsteht, die man visuell und haptisch, also mit den Händen, wahrnehmen kann. Diesen ästhetischen Materialcharakter betonen abstrakte Künstler in ihren Skulpturen, indem sie den Stein mit verschiedenen Werkzeugen bearbeiten.
 
Anderen Künstlern geht es um die Verwandlung des Steins, in eine menschliche Figur, einen Gegenstand oder in eine andere Materialwirkung.  Vor allem durch Schleifen und Polieren erhält man ungewöhnliche Oberflächen, die wie bei Michelangelo an menschliche Haut denken lassen oder an Porzellan, Glas, Samt.
 
Scherenschnitte von Ursula Kirchner ( geb. 1931 in Stuttgart )

In Goethezeit und Romantik war der Scherenschnitt sowohl unter Künstlern als auch als Freizeitvergnügen, vor allem als Schattenporträt, sehr beliebt. In der modernen Kunst führt die Technik ein Schattendasein, Henri Matisse ist der einzige bedeutende Künstler des 20.Jhds., der hier Neues entwickelt hat.
Ursula Kirchner benützt für ihre Scherenschnitte nur die Schere. Sie sticht damit ins Papier und lässt beim Weiterschneiden in der Regel den Einstich sichtbar stehen. Den Bildentwurf im Kopf setzt sie direkt in den Schnitt um. Figuren und Tiere sind ihre wichtigsten Themen. »Sie hat das Ornamentale in gewachsenen Strukturen entdeckt und es mit der Schere poetisch aufblühen lassen. Ihre Blätter quellen über von Gestalten. Und doch ist alles weislich geordnet.  Jedes Blatt ist – in der Ausgeglichenheit und dem Gleichgewicht der Spannungen in der Fläche – einem dynamischen und doch abgegrenzten Lebensraum vergleichbar». (Wolf-Dietrich Hardung )

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